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Antrag / Anfrage / Rede

Gefährdung kommunaler Handlungsspielräume durch das Abkommen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)

INTERFRAKTIONELLER ANTRAG

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Gribl,

wir beantragen für die Stadtratssitzung am xx.xx.14 den Tagesordnungspunkt „Gefährdung kommunaler Handlungsspielräume durch das Abkommen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)“ zu behandeln.

Dazu stellen wir den folgenden Antrag:

1. Die Stadt Augsburg spricht sich gegen ein geplantes Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA und Abkommen zum Handel von Dienstleistungen (TISA) in dem derzeit geplanten und verhandelten Umfang aus.

2. Die Stadt Augsburg reicht beim Europäischen Parlament folgende Petition ein: „Der Stadtrat der Stadt Augsburg fordert das Europäische Parlament auf, dem Abkommen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), solange nicht zuzustimmen, bis gesichert ist, dass die Wahrung der europäischen Sozial- und Umweltstandards sowie der Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge dadurch nicht gefährdet werden können."

3. Die Stadt Augsburg fordert die EU-Kommission auf, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die kommunale Daseinsvorsorge, darunter insbesondere die nicht liberalisierten Bereiche, wie die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Bereiche Abfall und ÖPNV, soziale Dienstleistungen sowie alle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Kulturbereich, vom derzeit mit den USA verhandelten Freihandelsankommen - und allen weiteren Handelsabkommen - explizit ausgeschlossen wird.

4. Sie fordert die EU-Kommission auf, das Mandat über die Verhandlungen offenzulegen und über den Verhandlungsprozess regelmäßig zu berichten und die Regionen und kommunalen Institutionen in den Mitgliedsstaaten in den Informationsfluss einzubeziehen.

5. Sie fordert die EU-Kommission auf, dass die Inhalte der Abkommen nach einer Ratifizierung nicht nachverhandelt werden, insbesondere um die kommunale Selbstverwaltung zu achten und die kommunale Daseinsvorsorge nicht zu gefährden.

6. Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die staatliche und kommunale Regulierungshoheit eingreifen, bedarf es Standards der Transparenz und der demokratischen Legitimation, auch wenn es sich um internationale Abkommen handelt. Deswegen fordert die Stadt im Namen ihrer Bürger die Einbeziehung der Öffentlichkeit, sowie eine sofortige Beteiligung der Kommunen und kommunalen Spitzenverbände.

Begründung:

Bei den derzeit verhandelten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA handelt es sich um eine neue Generation von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten Politikern, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen setzt das Subsidiaritätsprinzip der Europäischen Union außer Kraft und stellen damit zugleich einen massiven Eingriff in die kommunale Gestaltungshoheit und kommunale Selbstverwaltung dar.

Bei den Abkommen TTIP, CETA und TiSA geht es neben dem Warenhandel u. a. auch

  • um Handel mit Dienstleistungen,
  • um Teilhabe an öffentlicher Auftragsvergabe, 
  • um das Bildungs- und Gesundheitswesen und kulturelle Dienstleistungen,
  • um Veränderung von Verbraucher- und Umweltstandards, 
  • um Veränderung von Sozialstandards,
  • um Regelungen des Tarif- und Arbeitsrechtes,
  • um Liberalisierung der Wasser- und Abwasserwirtschaft,
  • Marktöffnungen für Energie und Transportwesen,
  • um weitere Marktöffnung für Müllentsorgung, 
  • um Verkehr und öffentlichen Nahverkehr, 
  • um Subventionsabbau (auch für kommunale und kulturelle Einrichtungen etc.)


Die genannten Bereiche betreffen alle die kommunale Daseinsvorsorge. Es lassen sich aus den bisher bekannten Dokumenten über die Inhalte des TTIPs folgende Punkte ableiten, in denen kommunale Rechte massiv angegriffen werden:

1. Umweltauflagen, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz;

2. Gefährdung der Auflagen für tarifgerechte Bezahlung, Einhaltung von Umwelt- und Qualitätsstandards bei öffentlichen Ausschreibungen;

3. Eingriffe in die lokale Energie-, Klima- und Versorgungspolitik;

4. Lokale Trinkwasserversorgung und Gewässerschutz durch die öffentliche Hand;

5. Lokale Fair Trade Projekte wie die "Faire Stadt" mit Bevorzugung regionaler Produkte sind gefährdet, somit auch Kompetenzen in der regionalen Wirtschaftsförderung.

6. Subventionierung lokaler Bildungs- und Kultureinrichtungen;

7. Verlagerung des öffentlichen Straßenbaus hin zu PPPs oder ganz privatisiert;

8. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist in ihrer Qualität und Bezahlbarkeit gefährdet;

9. Die geforderte Beschleunigung der Planungsverfahren gefährdet massiv die gerade erst einsetzende Kultur der Bürgerbeteiligung;

10. Das kommunale Fracking-Verbot kann unterlaufen werden;

11. Schwächung der regionalen Landwirtschaft;

12. Insgesamt ist von einer Schwächung bzw. Unterlaufung der kommunalen Selbstverwaltung und des Subsidiaritätsprinzips auszugehen. Damit wird also gegen das GG und die EU-Grundrechtecharta und die EU-Sozialcharta verstoßen;

13. Unabsehbare Folgen der Schiedsgerichte für Kommunen und deren Finanzen, falls sie Subjekt einer Entschädigungs- bzw. Schadensersatzklage werden sollten. Die Folge davon ist der Verlust der regionalen oder lokalen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit lokaler und Parlamente und Verwaltungen.

Dies steht im klaren Widerspruch zu den Kommunalverfassungen und Gemeindeordnungen, in deren fünf Kernpunkten es heißt:

a) Die Gemeinden sind Grundlagen des demokratischen Staatsaufbaus.

b) Sie fördern das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe.

c) Eingriffe in die Rechte der Gemeinden sind nur durch Gesetze zulässig (also nicht durch bilaterale Abkommen).

d) Die Gemeinden schaffen die für ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen (und nicht auswärtige Investoren und Konzerne).

e) Die Verwaltung der Gemeinden wird ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt.

Darüber hinaus gilt es noch folgende Punkte bei den verhandelten Abkommen zu bedenken, die diese Abkommen unberechenbar, unwiderrufbar, undemokratisch und illegitim machen:

1. Positivlisten-Ansatz / Negativlisten-Ansatz

Es gibt zwei Modelle der Liberalisierung. Der Positivlisten-Ansatz besagt, dass nur die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge/des Dienstleistungsbereiches der Liberalisierungspflicht unterliegen, die ausdrücklich in die Liste der Zugeständnisse aufgenommen werden. Beim Negativlisten-Ansatz hingegen sind alle Bereiche von den Liberalisierungsverpflichtungen des Abkommens erfasst, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Es ist zu befürchten, dass TTIP, CETA und TiSA dem Negativlisten-Ansatz verfolgen.

2. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel

Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-, wie auch die Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf. Die Ratchetklausel besagt, dass ein Unternehmen, wie etwa die Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden darf. Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass - aus guten Gründen - zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt wurden. Daher lehnen wir solche "Endgültigkeitsklauseln" ab. Vielmehr ist zu beanstanden, dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.

3. Living Agreement und Rat für regulatorische Kooperation

Im Oktober 2013 hielt EU-Handelskommissar Karel de Gucht eine Rede am Aspen Institute in Prag, in der er vorschlug, TTIP solle einen regulatorischen Kooperationsrat einrichten.(1) Die EU-Kommission plant nun in der Tat die Etablierung eines "Regulierungsrates", in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu lockern. Die Beteiligung kommunaler Spitzenverbände ist nicht vorgesehen.(2) In seiner Rede(1) bezeichnete Karel de Gucht das Abkommen darüber hinaus als "lebendes Abkommen", was nichts anderes bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiterverhandeln. All dies geschieht am Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen Kontrolle. (Anmerkung: Sowohl TTIP, wie auch CETA sollen "lebende Abkommen" werden und einen "Regulierungsrat" erhalten. Nach bisherigem Wissensstand sind diese beiden Punkte nicht Teil der Verhandlungen bei TiSA.) (1) De Gucht, Karel 2013: Transatlantic Trade and Investment Partnership – Solving the Regulatory Puzzle, Rede beim Aspen Institute Prag, 10. Oktober 2013 (2) European Commission 2013: TTIP: Cross-Cutting disciplines and institutional provisions. Position paper –Chapter on Regulatory Coherence, corporateeurope.org/sites/default/files/ttip-regulatory-coherence-2-12-2013.pdf

Auch ist festzustellen, dass die geplanten Abkommen gegen die Art. 23 und 28 Abs. 2 GG, die das EU Subsidiaritäts- und Mitspracherecht, sowie die demokratischen Selbstbestimmungsrechte und Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden festschreiben, verstoßen. Damit würden durch den Vertrag wesentliche Teile des Deutschen Grundgesetzes außer Funktion gesetzt und jeder Bürger wäre somit nach Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz gehalten, dagegen Widerstand zu leisten. Aus den genannten Gründen lehnen wir diese "neue Generation" von Handelsabkommen ab und setzen uns bei den entscheidenden Stellen dafür ein, die Abkommen in der derzeit bekannten Form abzulehnen.

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